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Auf dem Zahnfleisch mit Japaner

Tadopani, 9.April

Ich dachte, den heutigen Tag überlebe ich nicht. Dass ich auf der Stelle tot umfalle, geistig verwirrt im Wald verloren gehe.
Ich bin nur noch gegangen, gegangen, gegangen. Schritt für Schritt für Schritt den Berg hoch gequält. Nur auf die Füße geschaut - keine Bäume, keine Blüten, kein Himmel. Nur Staub und Wurzeln.
Die Beine waren zwar ein bisschen müde, aber sie haben tapfer wie zwei Kolben vor sich hin gestampft. Doch der Körper war völlig ausgepowert, überfordert, fix und fertig. Knochen, Muskel, Sehnen - nur noch zur Zusammenarbeit zu bewegen vom unermüdlichen Verstand, der mir ständig vor Augen führte, dass es sehr unangenehm werden würde, im Dunkeln durch den Wald zu wandern. Und dass ich es dem netten Japaner, der mich zwei Stunden durch den Wald gezogen hat, nicht antun konnte, ihn durch spontanen Bewusstseinsverlust meinerseits auf seinem Weg nach Tadopani auszubremsen.

Ich habe letzte Nacht sehr schlecht geschlafen, weil dieses Holzgestell, das sich ein Bett schimpfte, so schief war, dass ich die ganze Nacht nach unten rutschte und zur Seite rollte. Mein Reis von gestern ist Gott sei Dank drin geblieben, aber ich war heute morgen in einer sehr schlechten Verfassung: Unwohlsein, Ausbrüche von kaltem Schweiß und unter meiner Dreckschicht und Rentnerbräune war ich sicher bleich wie ein Laken.
Und der Weg war heute wieder von so vielen Treppen und staubigen Steigungen gesäumt, dass ich schon auf halben Weg erkannte, es heute nicht wie geplant nach Tadopani zu schaffen. Ich nahm mir vor, bis nach Kimrong zu gehen, aber als ich endlich nach etwas sechs Stunden da war, fand ich diese einsame Ansammlung von schmuddeligen, dunklen, baufälligen Hütten und die vielen bettelnden, dreckigen Kinder so grausam, dass ich beschloss, eine bessere Lodge oberhalb des Dorfes zu finden. Zehn Minuten gehen vielleicht noch, mehr nicht.

Ich war schon ziemlich fertig. Hinterm Dorf habe ich dann diesen wackeren älteren Japaner getroffen, der unbedingt bis Tadopani gehen wollte. Ich tapste ihm ein Stück hinterher und musste irgendwann erkennen: es kam einfach keine Lodge mehr. Nur Wald und so langsam die Dunkelheit. Also Augen zu und durch.
Ich war mir sicher, wir würden noch drei Stunden brauchen. Es ging nur bergauf. Der Japaner ging sehr schnell, aber das musste er auch, um nicht in die Dämmerung zu geraten. Er wartete immer wieder auf mich, dann schlurften wir weiter. Als wir nach etwas zwei Stunden einen Touristen im Wald sitzen sahen, der uns dann auch noch sagte, Tadopani sei nur dreihundert Meter entfernt, konnte ich mein Glück kaum fassen (mein japanischer Begleiter übrigens auch nicht...)
Als ich mich in meiner Lodge im Spiegel sah, bekam ich einen richtigen Schreck: mein Gesicht war total eingefallen, ich sah richtig fremd aus. Jetzt habe ich mich allerdings wieder etwas auf gepäppelt, mit Reis und Cola, wie gehabt (Bäh!)

Der Weg heute war wieder sehr schön, aber nach etwas vier Stunden hatte ich zum ersten Mal eine mittelschwere Krise. Mir gingen die ganzen Frauen vor ihren Lodges so dermaßen auf den Keks. "Namaste! Were are you from today?" Auswendig gelernt und vor sich hin gequakt. Die Antworten verstehen sie meistens schon nicht, aber es ist auch nicht so, dass es sie wirklich interessiert. Sie wollen dich nur in ein Gespräch verwickeln und zum Bleiben überreden. Zwischendurch betteln dich ihre Kinder nach Süßigkeiten an und zu allem Übel rieche ich inzwischen selber wie ein Nepalese. Es hängt einfach in meinen Klamotten und heute habe ich diesen Geruch gehasst.
Ich weiß, ich bin ungerecht, aber die letzten Tage waren wohl einfach zu viel für mich, da kam mir heute Manches schwer ungelegen. Morgen sieht alles schon wieder anders aus.


Bier für die Beine

Deurali (diesmal das nahe Ghorepani), 10. April

Puh, ich baue schwer ab im Moment. Als ich heute morgen los ging, kam es mir so vor, als hätte zwischen meinem Horrormarsch gestern und dem Trek heute vielleicht eine Viertelstunde gelegen. Na ja, nicht, dass mich der Zustand meiner Beine wirklich überrascht hätte.
Bin durch Wald gewandert, nur bergauf (aber das kennen wir ja schon), wurde offensichtlich nicht ermordet, obwohl ich keine Begleitung fand und throne wieder mal auf 3200 kalten Bergmetern.

Das Bemerkenswerteste an diesem Tag war, dass mich schon nach wenigen Metern das Gelüste nach Bier überkam und ich mich fortan mit dem Versprechen bei Laune gehalten habe, sofort nach meiner Ankunft eine Flasche davon zu bestellen. Habe ich auch getan. Lecker! Aber nach der Hälfte davon überkam mich eine heftige Müdigkeit und ich habe erst einmal zwei Stunden lang geratzt. Ich glaube, meinem Magen geht es wieder besser, er knurrt heftig und ich habe totale Lust darauf, was richtig Leckeres zu essen.

Morgen muss ich unbedingt versuchen, in Tatopani Geld umzutauschen. Das Dorf soll aussehen wie klein Thamel: Geschäfte, Schneider, eine Bank...Ehrlich gesagt habe ich im Moment mehr Lust darauf, morgen total viel Rupies für Souvenirs auf den Kopf zu hauen, als wieder mal irgendwo eine Bergsicht zu genießen. ich glaube, ich brauche mal eine kleine Trekkingpause.


Orangenbetrug im Kuchendorf

Tatopani, 11. April

Tuborg. Ich trinke schon wieder Tuborg.
Nicht unbedingt Trekker-Nahrung, ich weiß. Aber ich sterbe vor Durst. Wasser bekomme ich im Augenblick einfach nicht mehr runter und von den Colas und Fantas hier bekomme ich höchstens noch mehr Durst. Außerdem sind die Fläschchen für den holen Zahn. Das einzige, was wirklich erst einmal den größten Schmacht beseitigt, ist Bier. Und Alkoholfreies haben sie meines Wissens bisher noch nicht hierhin geschleppt.
Blöderweise habe ich nicht den geringsten Hunger. Muss an dem Schmalzkringel und der Zimtrolle liegen, die ich mir nach meiner Ankunft in Tatopani unvernünftiger Weise eingefuttert habe. Und an der Hitze. Scheiß Hitze! Hoffentlich lässt mich das Bier besser einschlafen.

Bin heute den ganzen Tag bergab gegangen, sechseinhalb Stunden lang. 2000 Höhenmeter! Und schon befinde ich mich wieder auf läppischen 1100 oder so was. Leider nicht mehr lange, denn morgen geht es schon wieder rauf. Anfangs war ich ja sehr erfreut über die Aussicht, nur Abwärts zu gehen. Die ersten zwei Stunden am Morgen waren herrlich. Feuchter Wald, sonnige Lichtungen, es roch nach gutem deutschen Mischwald und im Hintergrund blinzelten dann und wann die weißen Silhouetten der Berge durch die Bäume. Aber je weiter es hinunter ging, um so heißer wurde es. Und um so staubiger. In meinem Loneley Planet warnte man mich vor schlammigen, matschigen Wegen, aber alles was ich fand, waren Tonnen von pulverisiertem Dreck, manchmal knöcheltief. Und inmitten dieser Staubberge lebten dann und wann tatsächlich Menschen - sehr staubige Menschen.
Ich war erfreut, noch mal Dörfer zu sehen, in denen Nepalesen wohnten die etwas anderes taten, als Touristen zu bewirten. Aber auch hier hat man bereits auf jedes freie Grundstück eine Holzterrasse zwecks Cola-Verkauf gebaut. Wer kann es den Leuten verdenken, dass sie alle ein Stückchen vom Kuchen abhaben wollen.

Jedenfalls weiß ich jetzt, dass auch Bergabgehen sehr anstrengend sein kann. Ich habe das wohl unterschätzt. Man kann schneller gehen, aber auch dementsprechend weiter. Ich möchte nicht wissen, wie viele Kilometer das heute waren - garantiert Streckenrekord.
Hier misst man alle Entfernungen nur in Stunden, relativer geht es ja kaum. Wenn an einer Lodge ein Schild hing "nach Blabla 2 Stunden" habe ich für mich immer schon drei gerechnet. Und statt fünf sechs. Heute lag ich die meiste Zeit ganz gut im Rahmen, aber je heißer es wurde, um so mehr baute ich ab. Und die Füße taten weh (nicht die Knie, wie man mir prophezeite). Wie kaputt ich wirklich war, merkte ich allerdings erst, als die ersten kleinen Steigungen auf meinem Weg lagen und ich kaum hinauf kam.
Auf dem Allerletzten fiesen Anstieg kurz vor Tatopani (immer sind diese verreckten Flüsse schuld!) hat es mich wieder mal vor Hitze umgehauen. Aber das war, ehrlich gesagt, auch nicht verwunderlich, denn die Stunden zuvor bin ich bergab gerannt wie ein Maultier, das den Anschluss an seine Gruppe verloren hat, weil es unbedingt vor irgendeiner Lodge aus der Waschschüssel saufen musste. Ich habe die Stufen übersprungen und sogar Einheimische überholt - das ist mir zuvor noch nie gelungen. All das, weil ich keinen Bock mehr hatte.

Wie viele Schritte bin ich heute gegangen? Arme Füße! Frustrierend war, dass ich die ganze Zeit an Orangen gedacht habe. Orangen, die man mir in Tatopani versprochen hat. ORANGEN! Und ich habe keine gefunden. Keine Eine! Dafür aber Gebäck, wie gesagt. Da konnte ich nicht widerstehen.
Habe auch Dollars eingetauscht bekommen (ich gebe viel zu viel Geld aus!) und einen Teil davon sofort in eine schnuckelige nepalesische Bluse umgesetzt, die ich mir hier vom einzigen Schneider am Ort habe nähen lassen. In zwei Stunden. Auf einer dieser Oma-Nähmaschinen, die man normalerweise mit den Füßen betreibt. Aber er drehte mit der rechten Hand am Antriebsrad, während er mit der Linken den Stoff bewegte.
Es war gar nicht so einfach, ihm mein Ansinnen klar zu machen, denn er sprach kein Wort Englisch. Hinterher gesellte sich ein mäßig begabter Dolmetscher hinzu, ein paar Schaulustige und einige Jungen, die sich kaum noch ein bekamen vor Kichern, als ich vermessen wurde. Nun, die Verständigung hat offensichtlich geklappt, denn die Bluse ist sehr schön geworden.

Ich hab keine besondere Lust, morgen weiter zu gehen. Tatopani wäre ein netter Platz zum relaxen. Aber es ist noch ein weiter Weg bis Muktinath.
Hach, Trekking ist wirklich was für die ganz Harten. Wie sagen die Nepalesen immer so schön zu mir: "You are strong!"


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Petra und ihr Tagebuch
Karte der Annapurna Region
Für den Überblick:
Nochmal die Karte.
Bonbonpapier
Sweets für die Moral

"Produce of Nepal",
richtiges Bier.
eine schöne neue Rupie
1 Rupie (ungewöhnlich)

eine verbrauchte Rupie
1 Rupie (völlig normal)