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Ode an den Wollschal

Kyanjin Gompa, 21. März

Meine Kartoffelsuppe heute habe ich mir redlich verdient. Bin einen Berg hoch gekraxelt, um die Aussicht zu genießen und habe natürlich wieder mit sicherem Geschick den schwierigsten und längsten Weg gewählt.
Sehr angestrengt hat mich der Anstieg nicht, doch er zog sich sehr zermürbend in die Länge.
Als ich zurück war, hatte ich zum ersten Mal auf meiner Reise Kopfschmerzen und musste eine Tablette nehmen. Allerdings dachte ich auch die ganze Zeit (da ich so was gelesen zu haben glaubte), ich wäre von 3800 auf läppische 4200 Meter hoch gestiegen, um später zu erfahren, dass der Gipfel, auf dem ich stand, etwa 4800 m hoch ist. Ich glaube, ich bin noch nie an einem so hohen Fleck der Erde gewesen. Dummerweise war es recht wolkig da oben, dennoch war der Rundumblick beeindruckend. Wenn ich mich nicht irre, liegt direkt hinter den Bergen, die ich sah, Tibet. Sind alles Sechs- oder Siebentausender hier, leider heute etwas vom Gewölk verschluckt.
Beinahe das Schönste aber waren die Vögel: dicke schwarze Brummer, so eine Art von Nepali krächzenden Raben. Sie mussten gar nicht mit den Flügeln schlagen, sondern ließen sich vom Aufwind treiben und standen manchmal einfach in der Luft, direkt neben mir. Da wusste ich, dass ich verdammt hoch sein muss.

Eigentlich bin ich ja für solch alpine Aktionen gar nicht richtig ausgerüstet. Ehrlich gesagt, hatte ich zwar vor meiner Reise damit gerechnet, dass es in den Höhen etwas kälter werden könnte und geschickterweise warme Unterwäsche eingepackt, aber dass ich hier bergsteigen und eingeschneit werden würde, das kam doch etwas überraschend.
Dementsprechend falle ich unter den Gore-Tex gestylten Trekkern im Dorf etwas aus der Reihe, mit meinem orangefarbenen Allzweck-Wollschal. Aber das Teil ist mir inzwischen zu meinem liebsten Kleidungsstück geworden: Sonnen-, Wind-, und Kälteschutz, Decke und manchmal auch Tarnkappe. Gut auch, dass ich eine Sonnenbrille dabei habe, die ich, zugegebenermaßen, eher für bratzige Tage in Kathmandu eingepackt hatte. Wie wichtig sie in dieser Höhe gegen die UV-Strahlung ist, hatte ich nicht bedacht, daran musste ich erst durch einen Sherpa erinnert werden, der gestern mit bösen Augenproblemen - weil ohne Sonnenbrille - von einer Tour zurück kam.
Aber rotgebrannte Nasen haben sie hier alle. Und verdröselte Lippen. Und alle lesen sie dicke Bücher. Sehr dicke Bücher!
In meinem schaffe ich allerdings keine zwei Seiten am Tag. Es macht einfach soviel mehr Spaß, nur in der Gegend herum zu gucken.

Noch was: Habe letzte Nacht wieder jämmerlich gefroren, obwohl ich fast alle Kleidungsstücke, die ich dabei habe, übereinander trug, sogar die Regenjacke. Außerdem lag ich im Schlafsack noch im Inlett und war in meinen Wollschal gewickelt. Für heute Nacht habe ich mir eine Decke geben lassen, ich hoffe diesmal schlafe ich endlich durch.


Im Wald der Terror-Äffchen

Rimche, 22. März

Da ich heute Nacht in Kyanjin Gompa wieder nicht richtig schlafen konnte - und das trotz Wolldecke (einem fiesen, verfilzten Teil, das in seinem früheren Leben wohl ein Räucherschinken war) -, beschloss ich heute Morgen den Rückzug aus windigen Höhen anzutreten.
Sechseinhalb Stunde bin ich fast ausschließlich bergab gelatscht und habe heute die selbe Strecke zurückgelegt, für die ich bergauf drei Tage gebraucht habe. Jetzt bin ich allerdings ziemlich müde und hungrig und meine Füße tun mir weh, weil sie an allen möglichen Stellen wund sind (aber kein böses Wort gegen meine freundlichen Wanderschuhe!).
Ansonsten ist heute nichts Ungewöhnliches passiert, außer vielleicht, dass ich auch meine eingetauschten Haarspangen wieder gegen Haarspangen eingetauscht habe.

Je mehr Trekker ich sehe, um so klarer wird mir, dass mein Gepäck viel zu schwer ist. Ich werde mich spätestens vor meiner nächsten Tour im Annapurna-Gebiet von ein paar Dingen trennen müssen.

Gerade fällt mir noch ein, dass ich heute Affen gesehen habe. Recht stattliche Tierchen mit weißem Plüsch auf dem Kopf. Aufmerksam wurde ich, weil mir auf einmal lauter Blätter und ganze Äste auf den Kopf fielen - und da turnten die Viecher doch tatsächlich lustig über mir in den Bäumen herum.


Im Regen mufft das Räucher-Yak

Thulo Syabru, 23. März

Eigentlich dachte ich, der Monsun würde hier erst Mitte Juni einsetzten, aber da habe ich mich wohl geirrt. Heute hat es geschüttet wie aus Eimern.

Schon heute Nacht schüttelte der Sturm die Bretterkiste, in der ich schlief, heftig umher und dicke Steine polterten aufs Wellblechdach. Heute Morgen regnete es dann bereits leicht, aber ich bin trotzdem losgegangen. Im Wald war das auch kein Problem, ganz im Gegenteil, er sah richtig schön aus, wie ein verwegener Dschungel (die passenden Äffchen dazu gab es auch wieder). Leider lichtete sich das Blätterdach im gleichen Maße, wie der Regen zunahm, so dass es nicht lange dauerte, bis ich nass war bis auf die Knochen. Und schmutzig wie ein altes Yak (nein, damit tu ich den armen Tieren Unrecht!).
Das Erstaunliche aber war, dass mir das alles keineswegs die Laune verdorben hat. Ich glaube, im Grunde meines Herzens bin ich ein richtiges Schmuddelkind. Unangenehm war nur, dass sich der Weg immer mehr in Wohlgefallen auflöste. Die Steigungen waren bald nichts anders, als eine Schlamm-Rutsche abwärts und die Steine begannen sich aus dem Boden zu lösen. Ohne meinen Bambusstock wäre ich an manchen Stellen gar nicht mehr aufwärts gekommen.

Ich bin supervorsichtig gegangen und ausnahmsweise mal ohne irgendwelche Beschwerden. Ich fühle mich schon deutlich fitter, als an den ersten Tagen . Vielleicht lag´s auch daran, dass ich heute Morgen ein richtig feistes Brot mit Omelett-Füllung verdrückt habe. Gestern hatte ich den ganzen Tag lang Hunger.

Meine pitschnassen und saudreckigen Klamotten hängen jetzt in der Küche meiner Lodge und werden morgen riechen wie eine alte Räucherwurst - und ich wie ein nepalesischer Bergbauer, wenn ich sie trage.
Eigentlich wollte ich in Syabru wieder in die Lodge gehen, in der ich auch auf dem Hinweg war - das Ehepaar, das sie führt, war so nett. Aber dort war alles verrammelt, also bin ich zur Konkurrenz nebenan, denn ich hatte das dringende Bedürfnis, so schnell wie möglich ins Trockene zu kommen. Vielleicht gehe ich gleich mal rüber, einen Tee trinken. Die Dame des Hauses ist inzwischen nämlich wieder aufgetaucht. Aber eigentlich möchte ich nur noch etwas essen und mich dann in meinen Schlafsack einwickeln. Leider hat diese Lodge, wie wohl alle in Syabru, keinen Ofen in der guten Stube und ich friere kläglich, trotz der Anderthalb-Liter-Kanne Lemmon-Tea, die ich bestellt habe.
Draußen donnert es immer noch und die Umgebung ist komplett in einer gigantischen weißen Wolke verschwunden. Alles, was ich noch sehe, sind die bunten Campingstühle vorm Haus. Würde mir gerade jemand erzählen, da draußen gäbe es Berge - ich würde es nicht glauben!


Den Berg verhagelt

Dursagang, 24. März

Nachdem ich bisher schon fast alle Facetten nepalesischen Wetters genießen durfte, kam heute zu guter Letzt noch Hagel dazu. Was zur Folge hatte, dass ich gerade einmal zweieinhalb Stunden einen Berg rauf gekraxelt, dann aber irgendwo auf halber Höhe gestrandet bin. Zuerst bin ich noch an jener Lodge vorbei gewandert, in die mich eine freundliche junge Frau einlud, da es, wie sie sagte, nach Schnee aussah. Kurz darauf kehrte ich jedoch reuevoll zurück, denn es begann plötzlich so dermaßen zu Hageln, dass ich befürchtete, es könnte schon wenige Meter höher tatsächlich jämmerlich schneien. Und ich hatte heute am Berg schon ohne Schnee manchmal Schwierigkeiten, den richtigen Weg zu finden. Teilweise waren die Pfade so unterspült, dass sie nicht von einem Rinnsal durch eine Yakwiese zu unterscheiden waren.
Aber ich bereue es nicht, mein Tagwerk schon mittags beendet zu haben, denn ich hatte einen total schönen Tag hier am Berg. Die vier Kinder der Lodgebesitzerin haben versucht, mir die Aussprache nepalesischer Silben beizubringen und ich habe sie artig nachgeplappert. Zumindest die Kinder hatten ihren Spaß daran, dass ich alles falsch ausgesprochen habe. Kein Wunder, wo für mich doch "Bah", "Bah" und "Bah" dreimal gleich klingt und doch jedes mal eine andere Bedeutung hat.
Ich weiß nicht, ob die Kinder zur Schule gehen, der Weg zum nächsten Schulhaus ist jedenfalls sehr weit. Aber auch sie spielten mit zerfledderten Englisch-Büchern herum, wie ich es schon öfters gesehen habe und trugen mir ganz stolz das englische Alphabet vor.
Ich habe die Didi mal gefragt, wie alt ihre Kinder sind. Ich glaube vier, sieben, elf und vierzehn. Die beiden Ältesten sind Mädchen und vor allem die Vierzehnjährige wirkte sehr ernsthaft, arbeite in der Küche und kümmerte sich um den kleinen Bruder.
Mit Kindern kann ich in den Dörfern Stunde verbringen, denn im Gegensatz zu den Erwachsenen hat man mit ihnen auch viel Spaß, ohne dass man ihre Sprache versteht. Aber die Kleinen sind immer unglaublich schmuddelig und ihre Klamotten oft nur ein löcheriger Fetzten. Doch ich denke nicht, dass es Nachlässigkeit ist, noch nicht einmal unbedingt die Armut - es lohnt sich in dieser Umgebung einfach nicht, die Kleidung (und wohl auch das Kind, das in ihr steckt) täglich auf Hochglanz zu schrubben.

Am Nachmittag traf dann eine Französin mit ihrem nepalesischen Bekannten ein und wir haben zusammen in der kleinen, finsteren Küche vorm Holzfeuer gesessen. Die Flaschen-Lampen Marke Eigenbau sahen aus wie Molotow-Cocktails kurz vorm Explodieren. Der völlig überforderte Schnellkochtopf tendierte übrigens auch bedenklich in diese Richtung. Vom Dal Bath, das die Hausherrin gekocht hat, habe ich allerdings nichts gegessen, denn davon muss ich mich gestern Abend schon schwer überfuttert haben. Jedenfalls hatte ich heute ziemliches Magengrummeln.

Meine nassen Klamotten waren übrigens heute Morgen immer noch alles andere als trocken. Und besser noch: Dreckiger als vorher, denn die Bambusstangen, über der sie hingen, waren offensichtlich schwarz vor Russ. Heute Nachmittag habe ich meine Hose und zwei T-Shirts - inzwischen fast getrocknet - darum gewaschen und draußen aufgehängt. Geschickterweise fünf Minuten bevor es wieder zu hageln begann...


Keine Kühe, dafür Licht

Syabru Bensi, 25. März

Die Zivilisation hat mich wieder (zumindest, wenn man das Vorhandensein eines Lichtschalters als Zeichen für eben diese bezeichnen kann). Immerhin kann man Syabru Bensi mit dem Bus oder jedem anderen Gefährt, mit dem man es sich traut, erreichen. Dementsprechend ist dieses Dorf auch ein wüster, lauter, bunter stinkiger Mischmasch aus tibetanisch-buddhistischer Tradition und dem "Fortschritt" aus Kathmandu, wie der Satellitenschüssel (ob´s hilft??) und der orangefarbenen Baseball-Kappe.
Ganz anders sieht es in dem Teil des Dorfes aus, der nur über eine Hängebrücke erreichbar ist: Holzhäuser, Kühe vor der Tür und alte Frauen in traditioneller Kleidung.

Mein Busticket für morgen früh habe ich bereits gekauft - schweren Herzens, wohlgemerkt! Denn eigentlich war es genau das, was ich unter allen Umständen umgehen wollte: Mit dem Bus nach Kathmandu fahren zu müssen. Ich hielt das Unternehmen Rückfahrt ja schon nach meiner ersten Tour mit Nepals öffentlichen Nahverkehrsmitteln für waghalsig. Nach dem heftigen Regen der letzten Tage erscheint es mir nun geradezu lebensgefährlich.
Aber was hilft´s? Die einzige Alternative wäre gewesen, weiter aufzusteigen und nach Goisankund zu gehen. Von da aus hätte ich dann noch ein paar Tage in die Nähe Kathmandus wandern müssen. Der Haken an der Sache war aber vor allen Dingen, dass ich dabei einen über 4000 Meter hohen Pass hätte überqueren müssen, was nach dem Wettereinbruch der letzten Tage nicht ungefährlich und sehr anstrengend gewesen wäre.
Bis heute Morgen habe ich mir das Hintertürchen noch offen gehalten, aber nachdem ich mal wieder eine Nacht in meinem Schlafsack verschlottert habe, war mein Bedarf an Schnee und Höhe fürs erste gedeckt. So bin ich dann wieder abgestiegen und habe den kürzesten Weg zur nächsten Bushaltestelle gewählt, eben den nach Syabru Bensi. Aber nicht, ohne zwischendurch noch einen Tee-Stop in meiner Lieblingslodge in Thulo Syabru einzulegen und die Kinder ein bisschen zu ärgern.


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Petra und ihr Tagebuch
Postkarte aus Kyanjin Gompa
In Kyanjins altem Tempel
Bus-Ticket
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"The bus will not be responsible for damage of the luggages"