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Indiana Jones und die Pudelmützen-Buddhisten

Deurali, 5. April

Ich hatte ganz vergessen, wie kalt es in den Bergen sein kann. Brrrr! Dabei bin ich heute morgen noch zu der Erkenntnis gekommen, dass es sich bei der Hälfte meiner vielen Pocken (die andere Hälfte sind tatsächlich Insektenstiche) um Hitzepickel handeln muss. Ich fand sie schließlich auch am Bauch, an den Innenseiten der Knie und an den Oberschenkeln. Nun, zumindest diese Gefahr ist in den nächsten zwei Tagen gebannt, denn es kann nur noch kälter werden.
Ich befinde mich jetzt bereits wieder auf etwa 3200m Höhe und sehe einer eisigen Nacht entgegen. Draußen regnet es seit Stunden und ich sitze in meinen Schlafsack eingemummelt auf meiner Pritsche und schaue mir das Plätschern und die weiße Wand von Berg gegenüber durchs Fenster an. Das wird ein paar Meter höher eine Menge Neuschnee geben. Ich hatte Glück und bin schon um etwa 13 Uhr in Deurali eingetroffen, wenige Minuten bevor es zu regnen begann. Aber dafür musste ich heute morgen bereits so gegen halb acht los marschieren.

Es war ein ausgesprochen schöner Weg heute und obwohl es viele viele Höhenmeter aufwärts ging, war ich total zufrieden mit mir, da ich keinerlei Ausfallerscheinungen zeigte. Beine, Füße, Rücken, Magen, Kopf - alles bestens.
Ich habe vor mich hin gesungen und mich der Umgebung erfreut. Anfangs war es das reinste Indiana-Jones-Feeling. Der Dschungel wurde immer verwegener, die Wege waren schlammig und ich musste über Bäche hüpfen und durch Felsen klettern. Als ich dann meine erste Lawine entdeckte, war ich schwer beeindruckt und machte gleich mehrere Fotos. Da ahnte ich ja noch nicht, durch wie viele und wie viel größere dieser schmuddeligen Schneefelder ich heute noch steigen würde. Und je länger die Sonne Zeit hatte, sie weich zu kochen, um so schlibberiger wurde der Weg. Aber ich folgte immer dem Pfad, den tapfere Trekker und wackere Träger schon vor mir fest getreten hatten und piekste gleichzeitig mit meinem treuen Bambusstab den Untergrund auf seine Standfestigkeit ab.

Morgen werde ich noch früher los müssen als heute, vielleicht so um sechs, um das Annapurna Base Camp zu erreichen, bevor sich das Wetter gegen Mittag verschlechtert. Ich hoffe, ich schlafe gut und dass meine Lodge nicht heute Nacht von einer Lawine geplättet wird. Habe so manch zerknautschte Bambushütte gesehen auf meinem Weg und der ranzige Schnee hat sich bis an die Rückseite meines "Schlafzimmers" heran gerobbt.

Übrigens habe ich mich geirrt, als ich annahm, die Menschen dieser Region seien Hindus. Der "Gurung"-Clan besteht tatsächlich aus Buddhisten: Pudelmützen-Buddhisten! Man ist also nicht automatisch ein herzlicher Mensch, nur weil man Buddha preist. Ich vermisse die Gebetsfahnen aus Langtang.


Patsch-Patsch-Töck

Annapurna Base Camp, 6. April

Sechs Stunden lang über Lawinen gegangen und durch Schnee gewatet. Das war ein harter Tag heute. Die ersten zwei Stunden waren jedoch die am weitaus unangenehmsten.
Gleich hinter Deurali begann das erste Lawinenfeld und fortan habe ich meinen Fuß nicht mehr auf erdigen Boden gesetzt. Das Miese war, dass die Trampelpfade, die mir gestern eine so große Hilfe waren, heute dermaßen vereist waren, dass ich mitunter das Gefühl hatte, mich mit meinem Stock eine Bobbahn hoch zu hieven. Manchmal war das Eis neben dem Pfad etwas griffiger, bergauf musste ich mir allerdings mit den Schuhspitzen kleine Stufen schlagen. Ich habe mich mehr als einmal gefragt: "Petra, was tust du da eigentlich?".
Als die Sonne raus kam, lief es dann ein bisschen besser und so allmählich gingen die Lawinen in richtigen Schnee über, feucht und ganz gut zu gehen. Wenn man jedoch neben den vorgelatschten Weg trat, sank man ein bis zum Knie.

Als ich das Machhapuchre Base Camp erreichte, war ich schon ziemlich erschöpft und hatte noch drei Stunden zu gehen. Der Weg wurde allerdings immer einfacher, es ging nur leicht und stetig bergauf und die Umgebung war so beeindruckend, dass ich vor Freude gar nicht mehr an meine Müdigkeit gedacht habe.
Wohin das Auge sah, nur Schnee, Schnee und Schnee. Wären da nicht die riesigen Berge ringsum gewesen, hätte man die hingewehten Hügel auch für eine Wüste voll weißen Sands halten können. Mir ist stundenlang kein Mensch begegnet. Es war so unglaublich still, dass ich nur das Rauschen des Winds in den Bergen und meinen eigenen Atem hörte. Und meine Schritte: Patsch-Patsch-Töck, Patsch-Patsch-Töck.
Die letzte halbe Stunde zog sich dann aber elendig in die Länge. Ich sah die Häuschen des Base-Camps schon aus sehr weiter Entfernung, aber sie kamen einfach nicht näher und meine Füße schlurften immer träger durch den Schnee.
Aber die Anstrengung hat sich gelohnt. Dies ist ein unglaubliches Fleckchen Erde. Wohin ich auch schaue: Berge! Einer höher als der andere. Im Moment dramatisch wolkenverhangen, aber morgen früh werde ich sie in all ihrer Pracht genießen können. Der Schnee reicht den Lodges bis an die Dächer und in den Bergen höre ich den Nachschub bedrohlich rumpeln.


Wenn Wanderstock und Petra brechen

Deurali, 7. April

Das war vielleicht eine grausame Nacht. Ich weiß nicht, ob ich mich in meinem ganzen Leben jemals so elend gefühlt habe.
Das fing schon damit an, dass die Gruppe infantiler Israelis nebenan genau meinen Befürchtungen entsprach. Bis zehn Uhr (tiefe Nacht für Trekker!) haben sie Krawall in den Räumen zu meiner Rechten gemacht. Sehr nett, wenn einen nur ein paar Bretter trennen. Zwischendurch waren sie mal ein paar Minuten leise und ich schlief ein, um mich dann wieder mit Gerumpel und Gegacker aus dem Schlaf zu reißen. Dabei ging es mir schon zu diesem Zeitpunkt nicht besonders gut und ich war jedes mal froh, in der Kälte endlich eingeschlummert zu sein.
Alle meine Bitten um Ruhe wurden ignoriert, erst als mein amerikanischer Nachbar zur Linken "Stop it!" brüllte, beruhigten sich die Trottel schließlich. Da war es aber schon zu spät: Ich hatte zum ersten mal in der Nacht das Bedürfnis, mein Mittagessen wieder auszuspucken. Und zwar dringendst!

Raus aus Schlafsack und Inlett gewunden, Kerze und Feuerzeug ergriffen, Tasche mit Wertsachen umgehangen und Türe entriegelt. Bis zum Klohäuschen hinter Schneemauern habe ich es allerdings nur unter schwerem Würgen geschafft. Draußen war es glatt und kalt und finster. Zurück zu meinem Bett geschlichen, brauchte ich Ewigkeiten, bis ich wieder einschlafen konnte.
Ich weiß nicht, ob eine Minute vergingen oder zehn oder sechzig. Jedenfalls wachte ich erneut auf und sofort waren da wieder diese Hitze und der Schweißausbruch und ich wusste: Nichts wie raus! Also wieder aus dem Schlafsack gequält, Schuhe übergestreift, Tasche umgehangen, Kerze geschnappt, Türe entriegelt und mit wehenden Schnürsenkeln zum Klo gerannt. Zu allem Überfluss habe ich mir beim Herumhantieren mit der Kerze im Klohäuschen auch noch die Haare angesengt....
Ich weiß nicht mehr, wie oft das in dieser Nacht noch so ging. Die Intervalle wurden immer kürzer und inzwischen schaffte ich es noch nicht einmal mehr bis zur Toilette: Ich kotzte in den Mülleimer! Nachdem ich feststellte, dass das Teil ein Loch im Boden hatte, stellte ich es vor die Tür und reiherte fortan halb drinnen und halb draußen hängend (das ersparte mir zumindest die Prozedur des Schuheanziehens, Tascheschnappens, Kerzegreifens....).
Doch selbst dieser Weg war schließlich zu weit und ich spuckte vom Bett geradewegs in eine Plastiktüte. Im Stockdunkeln wohlgemerkt, denn sowohl Kerze, als auch Feuerzeug hatten inzwischen ihren Geist aufgegeben. Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre: Kaum hatte ich das letzte Tröpfchen meines Mageninhalts in den Beutel gewürgt, stellte sich ein übler Anfall von Flitzekacke ein. Also wieder raus aus dem Schlafsack, in die Schuhe gestolpert, Tasche umgehangen... In meinem Magen dürfte sich schließlich nur noch ein Vakuum befunden haben. Und als ich endlich friedlich eingeschlummert bin, klopft dieser Idiot von Lodgebesitzer um halb sechs Uhr morgens an alle Türen. Ich wäre ja wieder eingeschlafen, das Fatale war: Er hat die Israelis geweckt!

Ich möchte mal wissen, womit ich mir den Magen so verdorben habe (denn die Höhenkrankheit kann ich auf Grund meiner Kraxeleien der vorigen Wochen wohl ausschließen). Ich tippe ja schwer auf die Kanne Hot Lemon, die ich mir blöderweise gestern als Belohnung gegönnt habe. Richtig "hot" war sie nicht. Wahrscheinlich haben sie das Schneewasser nicht ausreichend abgekocht. Aber auch Nudeln sind fortan von meiner Speisekarte gestrichen. Glücklicherweise hatte ich nie Magenschmerzen dabei. Das Zeug wollte einfach nur raus.

Heute morgen war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt in der Lage sein würde, zu gehen. Die paar Meter, die ich in der Frühe auf eine Anhöhe kraxelte, um die Wahnsinns-Bergsicht zu genießen, machten mir schon schwer zu schaffen. Eigentlich hätte ich wieder ins Bett gehört, aber ich wollte keine weitere Nacht in dieser Kälte verbringen, also marschierte ich abwärts.
Es war eine ziemliche Quälerei. Die meiste Zeit glich mein Vorwärtskommen eher Skilanglauf als Wandern. Der Schnee war supernass, immer wieder hing ich mit einem Bein bis zum Oberschenkel darin oder setzte mich beim abwärts schliddern auf den Arsch. (Ich habe Sherpas gesehen, die auf einer Plastikfolie sitzend die Abhänge herunter rutschten. Hätte ich auch mal probieren sollen...) Ich war froh, als ich Deurali endlich erreicht hatte. Mein Körper war völlig ausgezehrt und die Hinsetzer und Absacker mehrten sich bedenklich. Mein Bambusstock war inzwischen auf Stummelgröße geschrumpft, weil bei jedem Sturz ein weiteres Stückchen von ihm im Schnee stecken blieb.

Ich habe mir gerade ein paar gekochte Kartoffeln bestellt, das Einzige, was ich im Moment runter würgen kann - und ich muss etwas essen, wenn es morgen weitergehen soll. Ich hatte so eine Lust auf Obst und Vitamine, aber das einzige, was dem entfernt nahe kam war eine teure Flasche Fanta.


Glücklich ist das Murmeltier

Sinuwa, 8. April

Das mit den Kartoffeln gestern Abend war wohl keine so gute Idee. Heraus geworfenes Geld sozusagen. Denn kaum hatte ich die letzte Kartoffel verschluckt und den Teller beiseite geschoben, musste ich die Unterhaltung mit meinem französischen Tischnachbarn recht abrupt unterbrechen, konnte nur noch im Laufen nach der Toilette fragen und entledigte mich wieder mal meiner Mahlzeit. Ich frage mich, ob die Kartoffeln überhaupt schon in meinem Magen angekommen waren. Aber sofort danach ging es mir wieder bestens. Sehr sonderbare Krankheit...

Die Leute in meiner Lodge waren supernett zu mir, allen voran ein sehr freundlicher Mensch namens Noris, der mir zu meiner Abreise noch heimlich ein Päckchen Kekse in meine Hosentasche steckte.
Das Beste aber war die Decke, die sie mir für die Nacht gaben. Kein stinkendes verfilztes Stück Wolle, sondern beinahe ein richtiges Plumeau. Es war so kuschelig warm des Nachts, ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Und wunderbar geträumt. Seit langer Zeit hatte ich endlich wieder mehrere "Lucid-Dreams" und bin in allerbester Stimmung aufgewacht. Das Lustige ist, dass ich erst am nächsten Morgen gelesen habe, dass meine Lodge "Dream Lodge" hieß. Es gibt schon erstaunliche Zufälle...

Dafür, dass mein Magen auch heute nichts weiter war, als ein leerer Beutel im Bauch bin ich erstaunlich munter vor mich hin gewandert. Spät gestartet (weil lange geschlafen und mit Noris verquasselt) und sehr langsam gegangen, aber die ganze Zeit in guter körperlicher Verfassung. Ich muss wohl so vor mich hin gegrinst haben, dass mich ein Träger, der mir entgegen kam, ansprach: "You are verry happy!". Recht hatte er!

Leider habe ich es vor dem Dunkelwerden nicht bis nach Chomrong geschafft, aber was solls?! Muß ich halt umplanen. Es ist nur wichtig, dass ich für den Weg in zwei Tagen eine Begleitung finde, bevor mich die Meuchelmörder im Wald schnappen. Wäre mir ausgesprochen unangenehm.


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Petra und ihr Tagebuch
Visitenkarte der Dream Lodge

"Your home away from home"